Skip to main content

Ghana Oktober 2017

Cape Coast, Ende November 2017

Ich sitze auf der Terrasse vom Baobab-Guesthouse und schaue auf das grauheruntergekommene Immigration Office, in dem ich vor Jahren qualvolle Stunden, ja Tage verbracht habe in der Hoffnung auf Verlängerung meines Visums…

Vor allem möchte ich den paar Tagen vor meinem Abflug meine diesjährige Zeit in Dormaa ein wenig Revue passieren lassen. Mal schauen, welcher Text aus den Stichpunkten, die ich mir gemacht habe, entsteht.

Der Abschied gestern Morgen ist mir schwer gefallen, ja, ich hatte Tränen in den Augen, die Menschen dort, der Ort, überhaupt Ghana sind mir zu einer zweiten Heimat geworden.

Vor der Reise

Die Gefühle und auch Erwartungen, mit denen ich vor drei Wochen nach Ghana gekommen bin, waren irgendwie sehr vielschichtig.

Da war natürlich die Freude auf die Kinder, auf Ayala, unseren Lehrer und Hausvater, die Mmas, auf Owusu, unseren Manager, der ein richtiger Freund geworden ist. Die Freude auf deren herzlebendige unmittelbare Beziehungskunst.

Da war aber auch die bange Frage: Wie wird es sein in dem kleinen Centre mit nun 10 Kindern? Ayala hatte mir per Mail erzählt (Ghanaer teilen nicht mit, sie erzählen), dass im Laufe des Jahres vier  Kinder neu aufgenommen worden sind, zwei erst vor wenigen Wochen.

Die „neuen Kinder“

Atta, 4 Jahre alt, kam sehr schwach und unterernährt ins Centre, alle fürchteten um ihr Leben. Das Gleiche bei Maxwell, der mit seinen 2,5 Jahren aussieht wie ein zarter 8Monate alter Säugling. Beiden geht es mittlerweile gut. Atta ist ein fröhliches Mädchen mit blitzenden Augen, Maxwell hat sich einen kleinen Babybauch angefuttert, er wirkt aber seelisch noch sehr bedürftig. 

Vida, 3 Jahre alt, und Julius, 7 Jahre, sind kräftige Kinder. Julius leidet immer noch stark unter einer großen seelischen Verwahrlosung. Kaum ist er eingeschlafen, fängt er an zu weinen und lässt sich nur schwer beruhigen.

Vida hat während der Geburt zu wenig Sauerstoff bekommen, sie wirkt, so würden wir hier sagen „stark entwicklungsverzögert“. Keines unserer neuen Kinder kann alleine gehen (wie alle unsere Kinder), sie müssen alle gewickelt werden.

Soweit die „Neuen“.

Zwar wusste ich, dass eine zusätzliche Hilfe eingestellt worden ist (the young Mma), um die beiden old Mmas beim täglichen Waschen von Hand und Kochen zu unterstützen.

Aber wie würde es Ayala schaffen, vier zusätzliche Kinder in eine doch schon seit Jahren bestehende Gruppe zu integrieren? Auch fragte ich mich, was wohl an Arbeit auf  mich wartete.

In meinem „Erwartungspaket“ lebte auch die Frage, wie weit es mit dem Bau des 3. Hauses ist – hatten doch vor kurzem die „Freunde der Erziehungskunst“ zugesagt uns beim Fertigbauen zu helfen. Aber der Reihe nach.

Die kleine Schule

Als ich dann am ersten Morgen, nachdem wir 7 Kinder gebadet, gewickelt ,massiert und gefüttert hatten – die drei großen Jungs sind da ganz selbstständig – , als ich also unseren Klassenraum betrat, war ich doch sehr überrascht: alle Kinder waren um den großen Tisch herum versammelt, vom 16jährigen Isaac bis zum kleinen Maxwell, der auf einer Matte am Boden lag.

Und Ayala begann mit seinem Unterricht, zunächst einem kleinen rhythmischen Teil, den wir bereits vor Jahren gemeinsam ausgearbeitet hatten und der eigentlich in der Zeit, wo ich nicht da bin, ausgeweitet, verändert werden soll… Na ja, nun genossen vor allem die neuen Kinder die kleinen Finger- und Klatschspiele sowie ghanaische Lieder. Besonders Julius, der es sehr schwer hat, sich in die kleine Gemeinschaft einzuleben, sehr schnell in rasende Wut gerät und ein unglaublich trauriges Herz hat, gerade Julius hat einzelne Gesten immer wieder im Laufe des Tages mit viel Freude nachgeahmt.

Besonders Sam, unser 15 jähriger nicht sprechender Philosoph, hatte sein besonderes Vergnügen, mir zu zeigen, wie er mittlerweile mühelos kleine  Multiplikationen und Divisionen schwungvoll mit Hilfe von Steinen oder dem Abakus „erledigt“. Um eine Antwort mit Kreide auf seine kleine Tafel zu schreiben, nimmt er etliche Anläufe mit seiner Hand, holt weit aus, bis er schwungvoll die halbwegs richtige Stelle auf der Tafel erwischt.

Sam kann sich nur seitlich rollend oder kunstvoll krabbelnd fortbewegen.

Vor einem Jahr hatte ich einige Tischwebrahmen mitgenommen und den drei großen Jungs das Weben gezeigt.

Meine Überraschung war groß und froh, als ich sah, wie viele Deckchen und kleine Flickenteppiche in dem einem Jahr entstanden waren! Auch hatten Bright und Isaac unzählige Wollfäden „fingerverhäkelt“ – wir haben sie geflochten und mit ghanaischen Perlen geschmückt; gemeinsam mit den Websachen liegen sie jetzt in meinem Koffer, und vielleicht bereiten sie einigen Menschen in Europa eine kleine Freude.

Physiotherapie 

Seit zwei Jahren haben unsere Kinder zwei mal wöchentlich Physiotherapie, die ihnen sichtbar gut tut (Kwadwo hat so das Krabbeln gelernt und lebt jetzt einfach anders in der Welt!)

Der Physiotherapeut hat nun unser Centre verlassen. Kurz bevor ich ankam, hat er schriftlich um eine  , wie wir alle fanden, unverschämte Gehaltserhöhung gebeten bzw. hat sie zur Forderung gemacht. Wir haben mit ihm gesprochen, ihm erneut unsere Situation erklärt (wir sind nicht reich, im Gegenteil), ihm ein neues Angebot gemacht, aber er wollte nicht.

Owusu hatte nun eine gute Idee: Er wird versuchen aus dem Hospital in Berekum einen Physiotherapeuten zu finden, der bereit ist 2 Monate lang, jedes Wochenende zu uns zu kommen und mit den Kindern zu arbeiten. Gleichzeitig soll er die drei Mmas , Ayala und eventuell noch einen jungen Mann aus dem Dorf zeigen, welche Übungen täglich mit den Kindern gemacht werden können. Alle fanden diese Idee gut, ich bin gespannt, wie es weiter geht.

Unser Neubau

Owusu, unser Manager, hat uns jeden Tag besucht; ihm war es ein Anliegen zu sehen, wie weit die Arbeiten an unserem 3. Haus fortschreiten.

Ein paar Wochen vor meiner Ankunft konnte ich Owusu und Ayala die frohe Botschaft mailen, dass die „Freunde der Erziehungskunst“ uns 6.250 € für den Bau zugesagt und bereits überwiesen haben.

Im vergangenen Jahr hatte ich mich an sie gewandt mit der Frage und Bitte um Unterstützung. Unsere monatlichen Ausgaben liegen mittlerweile bei ca. 650 € (Löhne, Essen, Pampers!, Elektrizität, Holzkohle…), die ganz durch private Spendengelder aufgebracht werden. Cosmos, Susanne und ich sahen einfach nicht die  Möglichkeit, zusätzliches Geld für die Fertigstellung des vor 3 Jahren begonnenen Hauses aufzutreiben. Das Haus wird aber dringend für die wachsende Kinderschar benötigt.

Also bat ich die „Freunde“ um Hilfe, und ich kann nur sagen, dass mich ihre herzliche, klare und irgendwie unbürokratische Art mit meiner Anfrage umzugehen, tief beeindruckt hat! Auch wurde unser Centre in deren WOW (Waldorf- One- World )-DAY – Website aufgenommen, und vielleicht dürfen wir uns bald über neue Unterstützung freuen. Das wäre wunderbar und würde bedeuten, dass wir weitere Kinder aufnehmen könnten!

Zurück zum Bau

Die graue Bauruine hatte bereits im vergangenen Jahr ein die bisherige Bausubstanz schützendes Dach erhalten. Auch hier sei allen Spendern herzlich gedankt – sie haben es möglich gemacht!!

Mit Hilfe der „Freunde“ konnte nun in den 3 Wochen, in denen ich da war, die gesamte Elektrik gelegt werden, alle Böden gegossen, Außen- und Innenwände verputzt werden. Zur Zeit werden gerade alle Decken gezogen, die Stützpfeiler verputzt, die Wände (innen und außen) gestrichen, sowie alle Böden gefließt, Türen und Fenster eingesetzt. Es sieht tatsächlich so aus, als würden alle Arbeiten bis Weihnachten fertig sein, und als würden die 6.250€ reichen! Dann könnten die Kinder endlich in schöne, luftige, neue Zimmer einziehen.

Ayala führt penibelst Buch über die Ausgaben und sammelt eifrig die Quittungen, die allerdings nicht immer leicht zu bekommen sind…

Buchführung

Bereits vor zwei Jahren habe ich eine Art Buchführung  mit Ayala ausgearbeitet, mit verschiedenen übersichtlichen Sparten usw. Wenn ihn nämlich früher um einen Blick über Eingänge und Ausgaben gebeten habe, am liebsten monatlich, so kamen immer lebendige bildhafte Erzählungen, aus denen ich mir dann mühsam einen Überblick gebastelt habe – mein Verständnis für Geldbewegungen ist doch sehr westlich geprägt.

So haben wir uns dann ein paar Nachmittage hingesetzt und uns die mittlerweile sehr acurat geschriebene Buchführung angeschaut (auf kleine Nachfragen hin bekam ich natürlich gern die dazu gehörenden Geschichten geliefert…).

Und auch in diesem Jahr konnte ich nur dankbar sein über eine klare, gut nachvollziehbare Auflistung der Einnahmen und Ausgaben.

Ein eigener Brunnen

Was ich in diesem Jahr sehr genossen habe, war die Tatsache, dass wir unser Wasser durch den vor einem Jahr mit Hilfe von Spenden fertig gestellten Brunnen beziehen konnten.

In der Trockenzeit, die in diesem Jahr extrem lange war, musste unser Brunnenbauer nochmals kommen und erneut per Hand bzw. kleiner Schaufel und Eimer ein paar Meter tiefer graben, aber dafür verfügt das Centre jetzt über köstliches Trink- , Wasch- und Duschwasser!

Süd-Afrika 

Manchen Abend haben wir damit verbracht, dass Owusu und Ayala mir von ihrer großen Reise nach Südafrika erzählt haben. Ja, es hat geklappt, die Beiden konnten im September an dem großen anthroposophischen Kongress (IPMT) in Cape Town teilnehmen, zu dem die Medizinische Sektion am Goetheanum alle irgendwie anthroposophisch tingierten Initiativen in Afrika eingeladen hatte.

Es war für die Beiden ein ganz großes Erlebnis, immer wieder haben sie davon erzählt. Michaela Glöckler hat einen tiefen Eindruck auf sie gemacht, wenn Ayala von ihr sprach, geriet er richtig ins Schwärmen.

Ich meine gespürt zu haben, dass diese Tagung die Beiden verändert hat; sie fühlen, glaube ich, dass sie an ein übergeordnetes Großes angeschlossen sind.

In die Hand gegebenes Geld

Einige Freunde hatten mir vor meinem Abflug Geld in die Hand gedrückt – für´s Centre.

Mit einem Teil dieses Geldes haben wir einen ortsansässigen Schreiner beauftragt, eine „Außen – Küche“ zu bauen, ein Holzhaus mit traditioneller Feuerstelle in der Mitte. Dort wird dann nicht mit Holzkohle, die recht teuer ist, sondern auf einem offenen Holzfeuer gekocht, das zwischen drei Lehmkegeln entfacht wird. Der große Topf ruht dann auf diesen Lehmsteinen. Die Mmas hatten sich sehr eine solche Kochstelle gewünscht, da täglich drei warme Mahlzeiten für mindesten 15 Menschen gekocht werden , und die  Holzkohlen – Kochstelle im Flur einfach zu klein geworden ist, und zudem die Preise für Holzkohle sehr gestiegen sind. (Im Anhang ist ein Foto)

Von dem restlichen „Handgeld“ soll der Weg vom alten Haus zu den beiden Neubauten kindgerecht gemacht werden mit Rampe und glatterem Untergrund. Zur Zeit ziehen unsere Jungs sich Knieschoner an und krabbeln mühsam über harten Schotter von einem Haus zum andern.

Hochzeit in Ghana

Bereits bei meiner Ankunft tat Ayala irgendwie geheimnisvoll, wenn ich ihn auf Rita, seine Freundin ansprach. Wie er mir dann irgendwann verriet, plante er seine Rita in der Zeit meiner Anwesenheit nach altem ghanaischem Ritus zu heiraten. Dazu sind etliche Vorbereitungen nötig, sagte er, eine genaue Abfolge von Besuchen bei der Familie der Braut, Gespräche mit den „Oldest“ usw. Ayala bat mich, an allem teilzunehmen, was ich natürlich gerne tat.

So bin ich tatsächlich in den Genuss gekommen, einer nach altem ghanaischem Ritus vollzogenen Hochzeit beizuwohnen. In „ the oldest days „ – also vor der Kolonialzeit- (und es schwingt immer so etwas wie Wehmut, leise Sehnsucht mit, wenn von diesen Zeiten gesprochen wird ) wurden Hochzeiten in genau dieser Art zelebriert, es gab dort allerdings statt der furchtbar lauten Boxenmusik noch traditionelle Trommler. Auch spielte das Geld damals noch keine Rolle – das Wort „money“ fiel bei Ayalas  Hochzeit und deren Vorbereitung doch recht häufig…

Abschied und wie geht es weiter…

Am letzten Abend hatten wir wie immer unser mittlerweile traditionelles Abschiedsessen, dem zuvor zwei Hühner geopfert worden.

Wir schauten zurück auf die 3 Wochen und auch auf das vergangene Jahr und hatten alle das Gefühl, dass etwas Neues geschehen ist, irgendwie ein großer Schritt getan worden ist. Das hängt damit zusammen, glauben wir, dass die Menschen vom Centre den Mut aufgebracht haben, 4 Kinder mehr aufzunehmen. Und alle sind voller Vertrauen, dass wir es auch weiterhin schaffen, jeden Monat das Geld für den Unterhalt aufzubringen!

Ein nächstes großes „Ding“ steht an, auch darüber haben wir gesprochen: Unser altes Haus ist dringend renovierungsbedürftig! Das Dach ist sehr alt und muss unbedingt ersetzt werden. Gleichzeitig sollen die zur Zeit recht niedrigen Räume auf eine tropen-vernünftige Höhe gebracht werden: nach einem feucht heißen Tag ist die Luft dort einfach unerträglich.

Auch muss der Schulraum vergrößert werden – wir haben Gespräche mit einem ortsansässigen Künstler geführt, der schöne Dinge aus Holz fertigt und zugesagt hat, für zwei Nachmittage ins Centre zu kommen und mit unseren Kindern zu arbeiten! Aber auch er braucht Platz. Der kann entstehen, wenn die Kinder ins neue Haus umgezogen sind, wir eine Wand durchbrechen und somit ein schöner großer Schul/Werkraum entstehen kann.

Und eigentlich waren wir uns an diesem letzten Abend einig: Wir schaffen das, irgendwie schaffen wir das im neuen Jahr!!

Wer Freude an diesem kleinen Projekt in Ghana hat und Lust hat uns zu unterstützen, kann dies gerne tun:

Bei den „Freunden der Erziehungskunst“ haben wir ein eigenes Konto, sie stellen auch eine Spendenquittung aus.

Freunde der Erziehungskunst
IBAN: DE 47 4306 0967 0013 0420 10
Betreff: Projekt Nr. 6092 (Cosmos-Center)

(Adresse wegen Spendenquittung nicht vergessen)