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Ghana Oktober 2022

Von der Müllkippe gegenüber vom Center und von der Liebe der Kinder zu ihren Eltern

Die Müllkippe

Bereits in den vergangenen Jahren war uns die stetig wachsende Müllkippe schräg gegenüber vom Center ein Dorn im Auge. Neben dem extrem hässlichen Anblick ist die Sorge, dass das Grundwasser verseucht wird – wir beziehen unser Wasser (auch Trinkwasser) aus einem eigenen Brunnen.

Gleichzeitig suchen wir seit einigen Jahren ein geeignetes Grundstück für unser kleines „Handwerker-Dorf“, das wir für unsere Großen bauen möchten (s. Brief aus Ghana 2021). Geeignet heißt möglichst nah beim Center.

So. Wie es nun dazu gekommen ist, beide Tatsachen zusammen zu sehen und den Gedanken zuzulassen: Und wenn wir auf unsere Kosten den Müll wegschaffen und dafür das Grundstück „ for free“ bekommen – wie es dazu gekommen ist, weiß ich wirklich nicht mehr.

Ich weiß nur noch, dass Nana Goebel von den „Freunden der Erziehungskunst“ nachdem ein realistischer Kostenvoranschlag für die Müllbeseitung incl. Erdaushub und Erdaufschüttung vorlag, die Bereitschaft der „Freunde“ signalisierte, in dieses Projekt mit einzusteigen! Verständlicherweise sollte vorher ein schriftliches Dokument vorliegen, dass das Grundstück dann auch tatsächlich dem Center gehört.

Die Gemeinde von Dormaa war mit dem Vorschlag einverstanden, sagte jedoch, dass eigentlich alles Land dem traditionellen  King von Dormaa gehöre und dieser erst einwilligen müsse.

In Ghana ist es tatsächlich noch so, dass alle wichtigen Entscheidungen von der offiziellen demokratisch gewählten Regierung gemeinsam mit dem traditionellen Stab von King, Sub-Chiefs und den Ältesten gefällt werden!

Also machte sich Owusu, unser Manager vom Center, auf den Weg, irgendwie in Kontakt zu kommen mit dem King. Das ist nicht so ohne Weiteres möglich. Man muss sich gut mit einem der sub-chiefs verstehen, der dann das Anliegen dem King übermittelt.

Die Antwort des King kam viele Wochen später ( wieder über einen sub-chief ) : Dieses Grundstück möchte er lieber selber nutzen, um etwas „Monumentales für die Allgemeinheit“ zu bauen. Auch habe er bereits begonnen, auf seine Kosten Müll zu beseitigen.

Mit dieser niederschmetternden Nachricht reiste ich im Juli 2022 nach Berlin, um dort Nana Goebel von den „Freunden der Erziehungskunst“  und Johanna Huber vom WOW-day endlich persönlich kennenzulernen.

Nana Goebel kann intensiv zuhören. Und es war anschließend ihre Idee, unbedingt das Gespräch mit dem King zu suchen, ihm selbstverständlich entsprechende Geschenke zu überreichen und ihn zunächst in seinem Vorhaben, etwas für die Allgemeinheit zu tun, zu bestärken. Ihm dann aber vorschlagen, unser kleines „Handwerker – Dorf“ in sein Projekt zu integrieren.

Ich fand den Vorschlag genial, Owusu auch (obwohl er auch sehr skeptisch war, ob der King darauf eingehen würde). Er hat es tatsächlich geschafft, einen Termin beim King zu bekommen, was für uns allerdings bedeutete, nach unserer Ankunft in Accra den Nachtbus nach Dormaa zu nehmen (10 Stunden Fahrt) und von dort gleich zum King-Palace zu gehen.

„Unsere“ Ankunft:

Ich bin diesmal nicht alleine gereist. Tatjana, die ich durch ihre Lontzener „Dorflädchen – Initiative“ kennen und sehr schätzen gelernt habe, war in den ersten 2 Wochen mit dabei! Eine herrliche Erleichterung für mich, auch bei der zunehmend digitalen Vorbereitung einer solchen Reise. Wenn etwas nicht gleich klappt, dann lacht Tatjana einfach und versucht es später wieder. (Und dann geht es!). Ich verzweifel dann immer.

Also Tatjana war beim Treffen mit dem King dabei. In Absprache mit Owusu waren unsere Geschenke wohlbedacht: Bester Schnaps aus Ghana, Whiskey aus dem Brüsseler duty-free-shop, einen feinen Kugelschreiber in Schatulle aus Aachen, Geld in einem Umschlag…

Erwartet hatte ich den King in seinem vollen traditionellen Ornat. Etwas enttäuscht war ich, dass er in Jeans, Hemd und Kappe am Tisch mit seinen sub-chiefs ( sie alle in traditionelle Tücher gewandet) saß.

Man darf das Wort nie direkt an den King wenden, muss sein Anliegen zunächst einem bestimmten sub-chief sagen, der es dann dem King übermittelt.

Owusu hat unser Anliegen vorgebracht. War es nun die Gunst der Stunde, waren es unsere Geschenke …  ich weiß es nicht. Ich konnte es jedenfalls kaum glauben, dass nach einigem Hin und Her ( das betraf vor allem die Zukunft: wo soll die nahe Bevölkerung dann ihren Müll hintun?), dass nach ungefähr einer Stunde der King sagte, er würde uns die Hälfte des großen Grundstückes und zwar die bessere, trockenere und bereits halbwegs entmüllte Hälfte des Grundstückes überlassen.

Ich habe selten eine so große Erleichterung und Freude in mir verspürt… Ich musste irgendwohin mit meinen Gefühlen und fragte den King, ob ich ihm auf europäische Art danken dürfe. Er willigte ein, erwartete wohl einen Händedruck, war dann jedoch leicht überrascht – aber nicht abgeneigt, als ich ihn einfach umarmt habe.

So. Das alles sollte nun aber auch in einem Dokument festgehalten werden, baten wir. Dieses Dokument liegt mittlerweile vor, die sub-chiefs haben es erstellt, wir durften es an einem Sonntagvormittag in einer kleinen Gasse von Dormaa, auf unvermeidlichen Plastikstühlen sitzend, entgegennehmen. Allerdings verlangte der sub-chief dafür 4.000 GHC (400 €). Es war klar, dass der King davon nichts wusste..

Ich konnte es mir nicht verkneifen, dem sub-chief zu sagen (er hatte mittlerweile das Geld, wir das Dokument), dass es mir schwer gefallen sei, ihm das viele Geld zu geben, das eigentlich nur den Kindern zugute kommen sollte. Er antwortete etwas spitzbübisch, dass der King uns das Grundstück ja geschenkt habe und bereits für 20.000 GHC (2.000 €) Müll habe wegschaffen lassen. Das stimmt, dachte ich, aber deshalb musst du uns jetzt nicht 4.000 GHC abknöpfen. Afrikaner können Gedanken fühlen, auch die eines Anderen. Er antwortete nach kurzem Zögern, sobald wir mit dem Bau eines der Handwerkerhäuser begonnen hätten, könnten wir zu ihm kommen, er würde uns dann 60 Säcke Zement schenken. (Ein Sack kostet 64 GHC)…Tja, schriftlich haben wir´s nicht, aber irgendwie war ich doch etwas getröstet…

Einige Tage später waren wir beim headmaster der Gemeindeverwaltung von Dormaa. Er hat unserem Vorschlag zugestimmt, dass wir den Restmüll wegschaffen und die Gemeinde dann den Container, der bereits jetzt dort steht, täglich leert. Aktuell geschieht dies nur eher selten, der Müll liegt dann auf der Straße und auf dem Grundstück.

Die tägliche Leerung haben wir schriftlich d.h. Mit diesem Dokument können wir, sollte die Gemeinde dem Versprechen nicht nachkommen, vor das  Gericht gehen. Das war Owusu wichtig.

Viel Platz hat die „Müllkippe“ in diesem Brief eingenommen, ich weiß. Aber vielleicht konnte so auch ein wenig „Afrikanisches“ bzw. „Ghanaisches“ beschrieben werden…

Die Kinder, die ihre Eltern so lieben und brauchen

Im Center leben mittlerweile 22 Kinder und Jugendliche, von denen nur Mahama selbstständig laufen kann. Mahama hat dies im Alter von ungefähr 7 Jahren bei uns im Center gelernt, und er tut dies mit einer tänzelnden, freudigen Verwegenheit. Obwohl seine Mutter ihm wenig Gutes, kaum Liebe hat geben können, ist es für Mahama ein Fest, ein großes leuchtendes Fest, wenn seine Mutter ihn besuchen kommt. Vor drei Jahren war sie das letzte Mal da.

Eigentlich geht es allen Kindern gut, richtig gut. Sie erhalten täglich drei Mahlzeiten, werden auch ansonsten von den Mmas gut versorgt.. Sie nehmen am täglichen Unterricht teil, den Ayala weiterhin mit viel Herzblut gestaltet – leider wieder alleine, denn Alex, der ghanaische Förderlehrer, hat uns verlassen, er zieht es vor, im Süden von Ghana, in der Nähe seiner kleinen Familie zu leben. Schade! Er hat viel Neues in dem einem Jahr für die Kinder möglich gemacht.

Dennoch fiel mir auf, dass Namékwé, der noch im vergangenen Jahr jeden Morgen von seinem Vater ins Center gebracht und abends wieder abgeholt wurde, stark abgenommen hatte und irgendwie abwesend wirkte. Ayala erzählte mir, dass er seine Eltern seit ein paar Monaten nicht mehr gesehen habe, da er nun ganz im Center wohne. Sein Vater bringt zwar jeden Morgen weiterhin das speziell für Namékwé zubereitete Essen, vermeidet es jedoch, seinen Sohn zu sehen, damit dieser sich besser eingewöhne…

Wir baten den Vater zu einem Gespräch, er hielt dabei seinen kleinen Sohn im Arm – wir haben Namékwé nie so entspannt, ja so voller Freude erlebt…

Während des Gespräches kam uns die Idee, der Vater könne vielleicht jeden Morgen, wenn er das Essen bringt, 10 Minuten mit seinem Sohn verbringen, so dass dieser einfach die Sicherheit habe, mein Vater ist da, ich sehe und erlebe ihn jeden Morgen.

Der Vater verstand uns und versprach, darüber nach zu denken.  Und ja, er hat für sich eine Lösung gefunden: Jeden Abend holt er Namékwé wieder zu sich nachhause, nur am Wochenende soll der  Kleine ganz im Center bleiben.

Bereits nach wenigen Tagen war Namékwé viel entspannter und konnte wieder lächeln…

Das sind Momente, in denen mir immer wieder klar wird, wie sehr die Kinder ihre Eltern lieben, und dass die Liebe der Eltern eigentlich nur eine mehr oder weniger gelungene Antwort ist. Und von dieser Antwort hängt  viel ab. Die liebende Antwort der Eltern ist existentiell für die Kinder.

Tatjana und ich waren täglich damit beschäftigt, aus den vielen, vielen Deckchen, die unsere Großen im Laufe des Jahres gewebt haben, etwas Sinnvolles zu gestalten. Zusätzlich hat Tatjana viel Zeit mit den Kindern verbracht, eigentlich immer ganz aus der Situation heraus. Sie hat mit ihnen gemalt, gespielt, herrlichen Unsinn gemacht… die Kinder haben sie sehr geliebt.

Mit Tatjana die Kinder im Center zu erleben, überhaupt das Leben dort, war für mich eine Wohltat. Ihr frischer offener Blick, ihre leisen Fragen nach meiner „Rolle“ dort haben tatsächlich einiges bei mir bewirkt. Irgendwie hat sie in mir den Mut geweckt, „loszulassen“, den Menschen im Center mehr Eigenverantwortung zu geben. Ich bin ihr sehr dankbar dafür.

Unser Handwerker – Dorf

Ich habe Ghanaer in ihren Visionen und anschließenden Planungen oft „ luftig“, leicht überdimensioniert erlebt. Bei mir kommt dann immer etwas sehr „Bodenständiges“ zum Vorschein.  Wenn wir uns zusammen tun, wird es meistens gut. Susanne, die Witwe von Cosmos, verfügt über diese Mitte oft von vornherein. Das sind, so denke ich, gute Voraussetzungen, um gemeinsam die nächsten Schritte zu tun.

Unsere Idee eines kleinen Handwerker – Dorfes für unsere Großen habe ich ja bereits im letzten Ghanabrief 2021 beschrieben. Jetzt wissen wir endlich auch, wo es entstehen soll: gegenüber vom Center, da wo jetzt noch Müllkippe ist.

Sobald der Müll weg ist und neue Erde aufgeschüttet, kann es los gehen. Bereits jetzt überlegen wir, welche Gewerke gut zu unseren Jugendlichen passen und wie gebaut werden könnte.

Spenden

All das Leben, das ich hier beschrieben habe, ist nur möglich, weil es Menschen gibt, die uns ihr Geld schenken. Wenn mir dies bewusst wird, dann macht mich dies immer leicht schwindelig … aber auch sehr dankbar!

Und da möchte ich an erster Stelle den „Freunden der Erziehungskunst“ danken, die immer Verständnis für unsere Nöte haben und uns mit Rat und Tat treu zur Seite stehen. Ein sehr herzlicher Dank geht an Nana Goebel, die so gut zuhören kann und dann noch gute Einfälle hat!

Den Schülerinnen und Schülern vom WOW-day danke ich von ganzem Herzen für ihren Einsatz! Speziell für das Cosmos – Center gespendet haben die Hiberniaschool aus Antwerpen, die Freie Waldorfschule Überlingen, die Christian Morgenstern Schule Hamburg, die Rudolf Steiner Schule Harburg, die Freie Waldorfschule Gladbeck, die Educare Waldorf FVG aus Borgnano, Italien.

Und natürlich geht ein herzlicher Dank an Johanna Ruber, die das alles so fein koordiniert!

Von Belgien aus hat uns erneut Kiwanis unterstützt. Hier geht ein lieber Dank an Gerd Pankert, der sich für uns in seinem Verein einsetzt!

Viele Freunde und Bekannte unterstützen uns, indem sie regelmäßig spenden. Euch allen danke ich sehr!

Und natürlich meiner Familie!

Medaase (Danke)

Patrice Reinhardt

Wer meine Freude und mein Engagement für diese Kinder ein wenig nachempfinden kann und Lust hat, unser kleines Center zu unterstützen, kann dies gerne tun. Jede Spende kommt zu 100% den Kindern zugute.

Bei den „Freunden der Erziehungskunst“ haben wir ein eigenes Konto, sie stellen auch eine Spendenquittung aus.

Freunde der Erziehungskunst
IBAN: DE 47 4306 0967 0013 0420 10
Betreff: Projekt Nr. 6092 (Cosmos-Center)

(Adresse wegen Spendenquittung nicht vergessen)