Skip to main content

Ghana Oktober 2023

Von der verwandelten Müllkippe und vom Spielen der Kinder in Afrika

Und weiter geht es … immer weiter …

Tja, immer wieder, jedes Jahr aufs Neue, kommt mir die Frage, wie diesen Brief beginnen… und dann auch so zu schreiben, dass die Erlebnisse und Erinnerungen an die Zeit im Cosmos-Center irgendwie klar rüber kommen und ihre Lebendigkeit erhalten bleibt. Deshalb schreibe ich den Ghana-Brief eigentlich immer in Ghana selber, ein paar Tage vor dem Rückflug, meist in Cape Coast, im Baobab-house, wo vor 15 Jahren meine Afrika-Zeit begonnen hat. So, der Anfang ist gemacht!

Die Obronis

Etwas war in diesem Jahr ganz anders: Ich bin nicht, wie meist, alleine ins Center gereist, sondern diesmal war es ein richtiger Obroni-Clan (Obroni=Weiße), der sich auf den Weg gemacht hat. Susanne Waernhjelm, Witwe von Cosmos, dem Gründer des Centers, ist aus Schweden angereist. Von Aachen aus sind Alex und Roswitha Mauckner sowie ihr Sohn Max mitgekommen. Alex hat mich vor 10 Jahren schon mal für 2 Wochen ins Center begleitet.

Aber damit nicht genug: Kaum waren Susanne und die Aachener abgereist, kamen Klaus Wenzel und Dietrich Hahn, die zuerst in der Nähe von Kumasi eine Einrichtung für Erwachsene mit einer Behinderung besucht haben, die sie schon seit Jahren unterstützen. Seit sie unser Cosmos-Center kennen, haben sie auch uns über ihren Verein „Eine Hilfe für Ghana“ bereits einige Male unterstützt und besucht.

Die verwandelte Müllkippe

Als wir nach langer und anstrengender 10-stündiger Busfahrt (das Reisen in Ghana ist und bleibt ein Abenteuer!) abends das Center erreicht haben, war unsere Überraschung groß, ja: wir waren überwältigt!

Da, wo vor einem Jahr noch eine grässliche, stinkende Müllkippe war (im Ghana-Brief 2022 habe ich ausführlich davon erzählt), stehen jetzt zwei Gebäude: ein kleines Handwerkerhaus mit zwei Werkstätten und einem kleinen Büroraum. Dahinter befindet sich unser neues Gästehaus mit zwei Gästezimmern, einer Küche, einem Bad und einem Konferenzraum. Beide Gebäude haben Owusu, unser Manager, und Ayala, unser Hausvater und Lehrer, weitgehend alleine geplant sowie dessen Durchführung durch ein Unternehmen aus Dormaa Ahenkro täglich intensiv begleitet. Ich hatte mich darauf eingestellt, in einer halben Baustelle zu übernachten, aber zu unserer großen Überraschung waren die erst im Mai begonnenen Bauten fix und fertig, als wir Ende September dort ankamen. Wir konnten unsere Freude und Verwunderung über dieses „ghanaische Wunder“ nicht verbergen – im Gegenteil. Und Owusu und Ayala freuten sich sehr über unsre Freude!

Eine der beiden Werkstätten wird demnächst Rita, unsere derzeitige Köchin, belegen. Sie ist ausgebildete Näherin und wird ein bis zwei unserer Jugendliche unter ihre Fittiche nehmen und dort ihren kleinen Nähshop eröffnen. Für den anderen Raum suchen wir noch den „richtigen“ Handwerker, gerne ein Korbflechter bzw. Möbelbauer (Bambus).

Der Physiotherapeut

Die Kinder: Wie immer war die Wiedersehensfreude groß! Und es geht ihnen gut, das merkten wir auch bald. Ein Mädchen von 10 Jahren hat das Laufen gelernt und genießt es sehr, sich frei durchs Center zu bewegen! Mit entsprechender Übung und Unterstützung könnten andere Kinder dies auch erlernen. Zum Glück haben wir nun einen Physiotherapeuten (die Geschichte unserer Physiotherapeuten ist lang und abwechslungsreich…), der einfach gut ist und gemeinsam mit Susanne Waernhjelm, die Kinderärztin ist, jedes Kind angeschaut und einen individuellen Therapieplan entwickelt hat. Es war gut, dass diesmal Susanne da war, sie war sehr angetan von der Arbeit und dem Ansatz unseres Physiotherapeuten.

Unsere kleine Schule

Ich wusste, dass Ayala im Laufe des Jahres Unterstützung von in Ghana ausgebildeten Sonderschullehrern bekommen hatte. Da war zunächst Mr. Anthony, ein Sonderschullehrer in Rente, den ich letztes Jahr auf einer Busreise durch Ghana kennengelernt habe und der tatsächlich zu uns ins Center gekommen ist. Leider ist er nach wenigen Monaten krank geworden, musste zur Behandlung für längere Zeit ins Krankenhaus. Er wird demnächst wieder zurückkommen, die Kinder und auch Ayala schätzen ihn wohl sehr.

Owusu hat genau zu der Zeit, wo er und Ayala extrem intensiv mit der Betreuung der Neubauten beschäftigt waren, einen anderen ghanaischen Förderlehrer „aufgetrieben“. Ebenizer kommt frisch von der Uni, und gleich am erste Tag nahm er mich mit in seinen Unterricht. Er stand an der Tafel, hielt ein Stöckchen in der Hand und übte mit den Kindern die Zahlen von 1 bis 30 auswendig sagen. Danach kam das ABC dran.

Diese Art des Unterrichtens kenne ich gut von anderen „normalen“ Schulen in Ghana; bereits im Kindergarten müssen die Kleinen still auf Bänken sitzen und das Hersagen von Zahlen und dem ABC üben. Der Lehrer wirkte freudlos, die Kinder auch. Da half nur eines: Ayala musste wieder einsteigen und in seiner altbekannten herzerfrischenden Art einen ausgedehnten Rhythmischen Teil mit englischen und ghanaischen Liedern, Sprüchen, Fingerspielen… entstehen lassen. Dann erzählt Ayala alte sowie moderne ghanaische Geschichten; er erzählt sie so, dass die Großen über 20-Jährigen sowie die 7-8-Jährigen gespannt zuhören.

Anschließend wird gerechnet, mit dem Abakus sowie den bunten Kapseln von Getränkeflaschen… die Kinder lieben es. Nachdem Ebenizer diesem lebendigen Unterricht nur 2 Wochen beigewohnt hat, war ich doch sehr erstaunt, als er an einem Morgen sich auf den Lehrerstuhl setzte und in einer ähnlich lebendigen Art wie Ayala „loslegte“. Er strahlte Freude aus, schien sich wohl zu fühlen – und die Kinder auch! Ich habe ihn darauf angesprochen, und er meinte, ja so mache teaching Sinn und Freude!

Die vielen gewebten Deckchen jedes Jahr…

Im Laufe des Jahres haben einige Kinder wieder stapelweise Deckchen gewebt, die Roswitha und ich zu schönen Wandbehängen und kleinen Teppichen zusammen genäht haben. Sie schmücken jetzt die doch recht kahlen Wände und Flure in unserem Gästehaus. Roswithas künstlerische und mutige Hand kam uns doch sehr zugute!

Vom Spielen der Kinder in Afrika

Was haben wir in den vergangenen Jahren nicht alles an Spielzeug für die mittlerweile 22 Kinder mitgebracht: Bauhölzer, Schleich- und Holztiere, Kugelbahn… Und jedes Jahr muss ich aus irgendwelchen Winkeln und Kisten schäbige Reste hervorkramen. Mir ist und bleibt es wichtig, dass die Kinder nachmittags und an den Wochenenden, wenn keine Schule ist, nicht einfach auf den Terrassen rund ums Haus herumsitzen, sondern ein paar Dinge zum Spielen und Bauen haben. Und unsere Kinder können spielen und können herrlich mit einfachsten Hölzern manchmal sogar mehrstöckige Häuser bauen! Das sehen unsere Mmas (die vier Frauen, die unsere Kinder betreuen) anders. Sie haben selber als Kind kein Spielzeug gehabt und verstehen es nicht so recht, dass nun Kinder mit einer Behinderung so verwöhnt und bevorzugt werden sollen. Die drei Jungs unserer Mitarbeiterinnen haben auch kein Spielzeug, das stimmt, sie können sich aber fortbewegen, Stöcke suchen, alles Mögliche und Unmögliche aus ihrer Umgebung zusammentragen und spielen – meist ahmen sie dabei Tätigkeiten der Erwachsenen nach.

Mir ist dort sehr klar geworden, wie völlig überladen mit sog. pädagogischen „Spielzeug“ unsere Kinder hier bei uns sind… Kinder wollen nachahmen, das ist ein Urbedürfnis bei ihnen, und dazu brauchen sie ein paar Dinge, die ihnen dies ermöglichen, einfache Dinge, die ihre innere Lebendigkeit (Phantasie könnte man auch sagen) nicht zumauert. Ich habe in diesem Jahr eine Tasche voll einfachen Bauhölzern mitgebracht – es wurde dankbar und kunstvoll damit gebaut; es wurde sich auch gestritten, das stimmt, und ich weiß, dass die Mmas das überhaupt nicht mögen, und ich bin sicher, beim nächsten Streit verschwinden die Hölzer wieder auf unbestimmte Zeit…

Susanne hatte u.a. alles mitgebracht, um große, riesengroße Seifenblasen zu machen. Mit Jubel und hochgestreckten Armen verfolgten die Kinder diese zarten schillernden Gebilde. Es war ein Fest für sie. (So jubeln können hier bei uns die Kinder nicht mehr…)

Michael Peprah

Seit einigen Monaten lebt Michael Peprah im Center, er ist ein Vetter von Ayala. Vor mehr als 3 Jahren ist er in seinem Haus böse gestürzt, hat sich die Hüfte dabei schwer verletzt und konnte sich seitdem nur auf den Händen abstützend qualvoll fortbewegen. Die Röntgenbilder zeigten deutlich, dass nur eine Hüft-OP helfen konnte. Dafür hatten aber werden Michael noch seine Familie das nötige Geld. Als ich vor einem Jahr im Center war, habe ich von seinem Schicksal erfahren und ihn auch kennen gelernt.

Als ich wieder zurück war, haben Alex Mauckner und ich in unserem Freundeskreis um Spenden gebeten, und so konnte Michael Peprah im April diesen Jahres in einer speziellen orthopädischen Klinik in Ghana erfolgreich an der Hüfte operiert werden. Nun ist der Muskelaufbau nach 3 Jahren Liegen äußerst anstrengend und langwierig. Alex Mauckner hat ausdauernd mit Michael geübt, ihm Mut zugesprochen … und seine Schritte wurden tatsächlich sicherer, auch ohne Rollator, nur als Stütze den Arm von Alex. Jetzt übt er am Geländer und wird von unserem Physiotherapeuten unterstützt.

Und nochmals die ehemalige Müllkippe…

Vor dem Bauen musste natürlich der gesamte Müll entfernt werden, eine gigantische und auch kostspielige Angelegenheit. Bei all den Fragen, die da aufkamen, konnte ich mich immer voller Vertrauen an die „Freunde der Erziehungskunst“ wenden, habe immer ein offenes Ohr, guten Rat und „notwendende“ Unterstützung erfahren.

Aber ach: Ich habe im Laufe des Jahres die Bilder des entmüllten Grundstückes gesehen: die obere Erdschicht schien abgetragen, frische rotbraune Erde aufgetragen. Es sah alles gut aus! Nun haben ausgiebige heftige Regenfälle stellenweise die neue Erde weggespült, und … noch nicht abgetragene Plastikschichten offen gelegt.
Ach, Afrika!

Das Urteil war schnell gefällt: wir werden einen Unternehmer beauftragen, mit einer kleineren effektiveren Maschine den ganzen restlichen Plastikmüll wegzuschaffen. Auch auf dem Teil des Grundstückes, das noch dem King gehört. Den wird Owusu demnächst bitten, uns auch den restlichen Teil zu überlassen, es könnte dort ein Park entstehen mit einheimischen Bäumen und Gehölzen, vielleicht sogar ein Spielplatz. Mal sehen… Es war Teil des Deals mit dem King im vergangenen Jahr, dass wir uns darum kümmern, dass in der Nähe für die Nachbarn die Möglichkeit geschaffen wird, ihren Müll zu deponieren. Also wird gerade am Rande unseres Grundstückes eine Plattform errichtet, auf der dann 3 große Müllcontainer aufgestellt und hoffentlich regelmäßig von der Gemeinde geleert werden.

Die Kosten dafür (ca. 2.000 €) haben spontan Klaus Wenzel und Dietrich Hahn sowie ihr Verein „Eine Hilfe für Ghana“ übernommen. Danke! Das entlastet sehr!

Spenden

Alle Kosten in Ghana sind enorm gestiegen! Die Benzinpreise sind horrend hoch, wenn ich sie vergleiche mit den dortigen üblichen Gehältern. Und damit steigen alle Kosten für die Dinge, die irgendwie transportiert werden. Wir haben somit die Löhne unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erhöhen müssen, auch werden wir ab Januar 2024 für sie den Arbeitgeberanteil in die staatliche Rentenkasse einzahlen. Die Mehrkosten allein für die Löhne werden im kommenden Jahr 2.400€ betragen. Ich bleibe zuversichtlich.

Das Cosmos-Center ist ein wirklich schöner lebendiger Ort (ja, fast ein kleines Dorf) geworden, in dem unsere Kinder sich wohl fühlen und ein gutes Leben führen können. Ein Ort auch, der immer mehr von der Bevölkerung gesehen und sogar besucht wird! Ein Ort, der auch im vergangenen Jahr ausschließlich durch Spendengelder möglich war.

Und dafür möchte ich mich sehr herzlich bei allen Spendern bedanken!!

Mein Dank gebührt an erster Stelle den „Freunden derErziehungskunst“, mit denen ich all meine Fragen, Sorgen aber auch Freuden teilen kann, und die immer bereit sind zu helfen! Lieben Dank vor allen an Nana Goebel!

Allen Schülerinnen und Schülern vom WOW-day danke ich sehr für ihren Einsatz!! Der Waldorffond hat uns auch in diesem Jahr mit einer grozügigen Spende bedacht. Speziell für das Cosmos-Center haben in diesem Jahr die Freien Waldorfschulen Berlin-Kreuzberg und Überlingen gespendet.

Und natürlich ein herzliches Dankeschön an Johanna Ruber, die den WOW-day so fein koordiniert! Kiwanis hat uns aus Belgien mit einer tollen Spende bedacht! Vielen

Danke!

Wie schon erwähnt, unterstützt uns seit einiger Zeit der Verein „Eine Hilfe für Ghana“. Vielen Dank!

Ein Dank geht an Misereor, die uns eine private Spende weitergeleitet haben.

Und herzlichen Dank allen Freunden, Bekannten und natürlich meiner tollen Familie!

Patrice Reinhardt

Wer meine Freude und mein Engagement für diese Kinder ein wenig nachempfinden kann und unser kleines Center unterstützen möchte, kann dies gerne tun. Jede Spende kommt zu 100% den Kindern zugute. Bei den „Freunden der Erziehungskunst“ haben wir ein eigenes Konto, sie stellen auch Spendenquittungen aus.

Neue Handwerkateliers und Gästehaus

Unser Center

Unser Physiotherapeut

Michael Peprah und Alex Maukner

Sam ist stolz auf sein gewebtes Sitzkissen